BGH zum Widerrufsjoker bei Darlehen: Kaskadenverweis ist zulässig.


BGH zum Widerrufsjoker bei Darlehen: Kaskadenverweis ist zulässig.


Damit setzt sich der BGH (Bundesgerichtshof) in Widerspruch zu dem zuvor ergangenen Urteil des EuGH v. 26.03.2020, Az. C-66/19 – Der europäische Gerichtshof hatte zuvor entschieden, dass die in den allermeisten Verbraucherdarelehensverträgen verwendete Musterbelehrung zum Widerrufsrecht des deutschen Gesetzgebers unzulässig ist. Diese enthielt einen sog. „Kaskadenverweis„, der Darlehensnehmer wurde auf Regelungen im BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) verwiesen. Dem hat der BGH mit Beschluss vom 31.03.2020, Az. XI ZR 198/19 nun entgegenhalten, dass die Banken die Belehrung zu recht verwenden durften.


Antworten auf die wichtigsten Fragen zum BGH-Beschluss vom 31.03.2020:

Was bedeutet Kaskadenverweis in der Widerrufsbelehrung?

Kaskadenverweis bedeutet, dass die Widerrufsbelehrung in dem Darlehensvertrag auf weitere Vorschriften, etwa § 492 Abs. 2 BGB verweist. Der Darlehensnehmer konnte die Einzelheiten des Widerrufsrechts also nicht alleine aus der Belehrung ableiten, sondern musste weitere Gesetzestexte heranziehen.

Ist eine eine Widerrufsbelehrung mit Kaskadenverweis zulässig?

Der EuGH hatt mit Urteil v. 26.03.2020 entschieden, dass ein Kaskadenverweis nicht mit der Verbraucherkreditrichtlinie (RL 87/102/EWG) in Einklang steht. Allerdings enthält die im deutschen Gesetz enthaltene Musterwiderrufsbelehrung ebenfalls einen Kaskadenverweis. Gemessen am deutschen Recht hat der BGH den Kaskadenverweis daher als zulässig bewertet.

Kann der Widerrufsjoker bei einem Darlehensvertrag mit Kaskadenverweis jetzt noch ausgeübt werden?

Nach der Rechtsprechung des BGH kann ein Widerrufsrecht nicht darauf gestützt werden, dass die Widerrufsbelehrung einen Kaskadenverweis enthielt. Bei Verwendung der Musterbelehrung des deutschen Gesetzgebers, besteht kein Widerrufsjoker. Nur wenn die Belehrung von dem Mustertext abweicht und dabei weitere Fehler enthält, ist ein Widerruf noch möglich.

Wie kann es sein, dass der BGH den Kaskadenverweis in der Widerrufsbelehrung als zulässig bewertet, wenngleich der EuGH zum gegenteiligen Ergebnis kommt?

Der EuGH entscheidet über Auslegungsfragen der Richtlinie. Demgegenüber nimmt der BGH das deutsche Gesetz als Maßstab. Je nach Prüfungsmaßstab kommen die Gerichte zu unterschiedlichen Ergebnissen.

Welche Ansprüche hat der Darlehensnehmer aufgrund der Richtlinie?

Es gibt verschiedene Wege, eine europäische Richtlinie in deutsches Recht umzusetzen. Wenn der deutsche Gesetzgeber, wie im Falle der Verbraucherkreditrichtlinie fehlerhaft in deutsches Recht umsetzt, bestehen möglicherweise Staatshaftungsansprüche. Ob Ansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland gerechtfertigt sind, wird nun gerichtlich zu klären sein.

Streitpunkt: Kaskadenverweis


Die Veröffentlichung des Urteils des EuGH v. 26.03.2020, Az. C-66/19 ließ Verbraucherschützer jubeln. Das Landgericht Saarbrücken hatte den EuGH per Vorabentscheidungsersuchen angerufen. Es galt zu klären, ob eine Kaskadenverweisung innerhalb der Widerrufsbelehrung eines Verbraucherdarlehensvertrages in Einklang mit der Richtlinie für Verbraucherkreditverträge (Richtlinie 2008/48/EG) steht.

Das Besondere:

Die von der beklagten Sparkasse verwendete Widerrufsbelehrung entsprach dem gesetzlichen Mustertext.

Hierin heißt es :
„Der Darlehensnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z. B. Angaben zur Art des Darlehens, Angaben zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat…“

Muster in Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB a.F.

Nach Ansicht des EuGH ist für den Verbraucher nicht klar ersichtlich, welche Pflichtangaben ihm vorliegen müssen, damit die Frist zu laufen beginnt. In dem Klammerzusatz werden nur einzelne Angaben aufgezählt. Diese Aufzählung ist jedoch nicht vollständig. Der Bank-Kunde müsste also zunächst unter § 492 Abs. 2 BGB nachsehen, welcher dann auf weitere Vorschriften verweist, um herauszufinden, welche Angaben im Detail gemeint sind (“Kaskadenverweis”).

Die Richtlinie 2008/48/EG sieht jedoch vor, dass der Verbraucher in “klarer, prägnanter Form im Kreditvertrag” über das Widerrufsrecht belehrt werden soll. Die Weiterverweisung auf Gesetzesnormen wurde vom EuGH als unzureichend angesehen.

Damit waren so gut wie alle Darlehensverträge betroffen, deren Abschluss in den Zeitraum fällt. Die Verwendung des im Gesetz abgedruckten Mustertextes ist unzureichend. Kaum vorstellbar, dass die Banken zusätzliche Informationen in die Widerrufsbelehrung gepackt hatten.

Kein Widerrufsrecht aufgrund Kaskadenverweis

Der BGH (Bundesgerichtshof) hat in ungeahnter Schnelligkeit auf das Urteil des EuGH reagiert – eine Klagewelle drohte. Fehler in der Widerrufsbelehrung führen dazu, dass die Frist zur Ausübung des Widerrufsrechts nie in Gang gesetzt werden konnte. Daher wären tausende Darlehensverträge noch heute widerrufbar.
Bemerkenswerterweise hat der BGH mit Beschluss vom 31.03.2020, Az. XI ZR 198/19 entschieden, dass die Verwendung der Musterbelehrung – trotz Kaskadenverweis keinen Fehler bedeutet.

Der BGH legt hierzu geltendes deutsches Recht aus. Europarechtlichen Grundsätzen ist hierbei zwar größtmögliche Wirksamkeit einzuräumen. Jedoch meinte der BGH, dass eine Auslegung gegen den klaren Wortlaut des deutschen Gesetzes zu dem Widerrufsrecht bei Verbraucherdarlehensverträgen schlicht nicht möglich ist.
Demnach können Darlehensverträge nach deutschem Recht nicht mehr widerrufen werden, wenn diese den Musterbelehrungstext des Gesetzes widergeben. Nur wenn die Bank von der Musterbelehrung abgewichen ist, besteht die Möglichkeit, dass der Darlehensvertrag noch wirksam widerrufen werden kann.

Folgen für Darlehensnehmer

Dass sich europäisches und deutsches Recht widersprechen kommt nur selten vor. Der deutsche Staat hat verschiedene Möglichkeiten, eine Richtlinie umzusetzen. Das in der Richtline 2008/48/EG enthaltene Widerrufsrecht für Darlehensverträge wurde in das BGB (Bürgerliche Gesetzbuch) integriert. Dabei hat der deutsche Gesetzgeber auf eine wörtliche Übernahme der Regelung verzichtet, und stattdessen einen Mustertext für die Widerrufsbelehrung zur Verfügung gestellt.
Dieser Mustertext ist nach den Erkenntnissen nicht konform mit der europäischen Richtlinie. Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass der Kaskadenverweis die Gerichte noch weiter beschäftigen wird. Die Bundesrepublik wird sich, dem Vermuten nach gegen Staatshaftungsklagen von Darlehensnehmern zur Wehr setzen müssen.

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